Donnerstag, 22. Oktober 2015
Bank- und Kreditrecht

Es droht das Aus für den "Widerrufsjoker"

Das unbefristete Widerrufsrecht bei Immobiliendarlehen mit fehlerhafter Widerrufsklausel soll bald wegfallen. Betroffen sind insbesondere zwischen 2002 und 2010 abgeschlosssene Darlehensverträge. Schnelles Handeln ist gefragt.

Berlin, 22.10.2015. Bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen konnten Verbraucher ihren Immobilienkredit bisher auch noch Jahre nach Vertragsabschluss widerrufen. In solchen Fällen, die bei Vertragsabschlüssen zwischen 2002 und 2010 sehr häufig vorkamen, begann die 14-tägige Widerrufsfrist nämlich gar nicht erst zu laufen. Aber dieses unbefristete Widerrufsrecht bei Immobiliendarlehen ("Widerrufsjoker") soll nun nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung bald wegfallen. "Damit würden zahlreiche Verbraucher, die bei Immobiliendarlehen fehlerhaft über ihr Widerrufsrecht informiert wurden, zugunsten einer Lobbygruppe aus Kreditinstituten benachteiligt", sagt Rechtsanwalt André Tittel von der Berliner Kanzlei Kälberer & Tittel, die auf Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisiert ist. "Ihnen würde ein wichtiges Instrument genommen, um fehlerhafte Verträge rückgängig zu machen."

Altverträge oft fehlerhaft- Es geht um viel Geld

Auch Verbraucherschützer sprechen von einer "unfairen Lösung" und raten Betroffenen, schnell zu handeln. Laut Verbraucherschutzverbänden war die große Mehrzahl der Widerrufsbelehrungen in den zwischen 2002 und 2010 abgeschlossenen Immobilienkreditverträgen fehlerhaft. Dies hatte zur Folge, dass die üblicherweise 14-tägige Widerrufsfrist gar nicht erst zu laufen begann. "Kreditnehmer haben in den vergangenen Jahren diese Chance genutzt, ihren Vertrag widerrufen und oft mit einem neuen Kreditvertrag zu deutlich günstigeren Zinsen viel Geld gespart", sagt Anwalt Tittel. "Das können Kreditnehmer auch heute noch tun. Doch wenn der Gesetzentwurf umgesetzt wird, dann würde ihnen diese Möglichkeit genommen." Viele Kreditnehmer, die aus ihrem Vertrag bereits ausgestiegen sind, haben nach der bisher geltenden Regelung in diesem Zusammenhang auch die Chance, eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückzuverlangen.

Voraussichtliches Ende im März oder Juni 2016

Seit Monaten ist nun in Deutschland eine Gesetzesänderung in Arbeit, um die EU-Richtlinie zu Wohnimmobilienkrediten umzusetzen. Der Vorschlag des Bundeskabinetts dazu sieht vor, das "ewige" Widerrufsrecht für Altverträge drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes auslaufen zu lassen. Das wäre dann im Juni 2016, denn nach aktueller Planung soll das Gesetz am 21. März 2016 wirksam werden. Es ist auch nicht auszuschließen, dass der "Widerrufsjoker" bereits sofort mit Inkrafttreten des Gesetzes erlöschen wird.

Kreditvertrag prüfen lassen

"In solcher Weise rückwirkend in bestehende Verträge einzugreifen, das gibt es nicht alle Tage und geht voll zu Lasten der Verbraucher", sagt Anwalt Tittel. "Offenbar haben Kreditinstitute hier intensive Lobbyarbeit geleistet. Betroffene Darlehensnehmer, die ihren Widerrufsjoker noch nicht ausgespielt haben,  sollten jetzt handeln und ihren Kreditvertrag daraufhin prüfen lassen, ob die darin enthaltene Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist und welche Schritte man einleiten sollte. Kreditinstitute leisten zwar erfahrungsgemäß oft erheblichen Widerstand bzw. versuchen, entsprechende Ansprüche abzuwehren. Aber das Recht besteht. Leider vermutlich nun nicht mehr lange."

Pressekontakt:
Dietmar Kälberer

Tel. 030 / 887178-0
Kaelberer@kaelberer-tittel.de

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