Mittwoch, 18. September 2013

Widerrufsrecht bei älteren Baufinanzierungs-Verträgen

Viele Baufinanzierungsverträge können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) widerrufen werden, weil die Widerrufsbelehrung falsch ist. Das ermöglicht Darlehensnehmern gegebenenfalls bei einer "Umschuldung" eine große Ersparnis.

Bank-Formular war oft fehlerhaft – Widerruf ohne Vorfälligkeitsentschädigung möglich

Berlin, 18.09.2013.

Viele Baufinanzierungsverträge können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) widerrufen werden, weil die Widerrufsbelehrung falsch ist. Die Folge: Selbst bei noch laufender Zinsbindungsfrist kann der Darlehensvertrag ohne Vorfälligkeitsentschädigung aufgelöst werden. Beispiel: Wer im Jahr 2008 zu einem Zinssatz von rund 4,5 % abgeschlossen hat, könnte das derzeitige Zinstief von etwa 2,5 % zur Umschuldung nutzen. Zinsersparnis bei einer Darlehensverbindlichkeit von 200.000 Euro: 4.000 Euro pro Jahr.

"Das betrifft möglicherweise eine Vielzahl von Verträgen, aber vielen Betroffenen ist dies gar nicht bekannt", erklärt Rechtsanwalt André Tittel von der auf Kapitalanlage- und Bankrecht spezialisierten Kanzlei Kälberer & Tittel die Tragweite des Sachverhalts.

Grundlage bezüglich der Rechtsprechung zur Widerrufsbelehrung ist ein BGH-Urteil vom 28.06.2011 (XI ZR 349/10); und speziell zur Vorfälligkeitsentschädigung: OLG Brandenburg, Urteil vom 17.10.2012 – 4 U 194/11.

Aktuelle Rechtsprechung kann Kreditnehmern große Ersparnis bringen

Jetzt sind die Zinsen noch sehr günstig – allerdings hat seit einigen Wochen ein Trend zu leicht steigenden Zinsen eingesetzt. Kreditnehmer, die aufgrund einer falschen Widerrufsbelehrung ihren Darlehensvertrag aus der Zeit vor der extremen Niedrigzinsphase widerrufen wollen, sollten dies alsbald tun. Dann können sie noch zinsgünstig einen neuen Darlehensvertrag abschließen, bevor die Zinsen weiter steigen.

Konkret stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:

Verschiedene Banken und Sparkassen hatten damals (2008 etwa) standardisierte Mustertexte zur Widerrufsbelehrung verwendet, die aufgrund der Formulierung "die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" nicht der gesetzlichen Regelung entsprachen. Durch das Wort „frühestens“ sei nicht eindeutig erkennbar, wann die Widerrufsfrist beginne – so die Argumentation des Oberlandesgerichts Brandenburg in einem Urteil vom 17. Oktober 2012 (Az.: 4 U 194/11).

Das Wort "frühestens" erzeugt hier Unklarheit und suggeriert dem Darlehensnehmer fälschlicherweise, die Frist könne eventuell auch später beginnen.

Sparkasse klagte auf 12.006,66 Euro Vorfälligkeitsentschädigung

Im oben erwähnten Rechtsfall hatten Sparkassenkunden im April 2008 zwei Darlehen in Anspruch genommen, die sie nach Rückabwicklung des finanzierten Grundstückskaufvertrages vorzeitig zurückzahlten. Sie hatten die Verträge im September 2010 widerrufen, weil die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung noch nicht begonnen habe und somit auch noch nicht abgelaufen sei. Die Sparkasse klagte aber auf Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 12.006,66 Euro. Diese Klage wurde vom Landgericht Potsdam abgewiesen. Die anschließende Berufung der Sparkasse wurde dann vom OLG Brandenburg ebenfalls abgewiesen.

Die Sparkasse berief sich im Zusammenhang mit der Verwendung des Musterformulars auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV. Diese Schutzwirkung hätte gegriffen, wenn die Sparkasse das Musterformular - inhaltlich wie auch in der äußeren Gestaltung - eins zu eins übernommen hätte. Aber sie hat es in dem mit "Widerrufsrecht" überschriebenen Abschnitt an mehreren Stellen geändert und so die Schutzwirkung aufgehoben. Der Widerruf der Darlehensnehmer war also auch mehr als zwei Jahre nach Darlehensvereinbarung noch wirksam, wie das OLG Brandenburg bestätigte.

Auswirkung auf heute noch laufende Kreditverträge

"Das Urteil hat Auswirkungen bis heute für viele noch laufende Darlehensverträge mit entsprechend fehlerhafter Belehrung", sagt Rechtsanwalt Tittel. "Mit der Folge, dass Darlehensnehmer ihre Kreditverträge - bei Vorliegen der Anspruchsgrundlagen wie dargestellt - heute noch widerrufen können, ohne zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank oder Sparkasse verpflichtet zu sein."

Sie hätten dann die Chance, ein neues Darlehen zu wesentlich günstigeren Zinsen aufzunehmen und durch eine solche Umschuldung viel Geld zu sparen. Im Einzelfall muss das Vorliegen der Anspruchsgrundlagen aber genau geprüft werden.

Pressekontakt:
Dietmar Kälberer

Tel. 030 / 887178-0
Kaelberer@kaelberer-tittel.de

Top Ansprechpartner