VW-Prozess wegen Abgasmanipulationen
Kapitalanleger-Musterverfahren wegen VW-Abgasmanipulationen rückt näher: Landgericht veröffentlicht zehn gleichgerichtete KapMuG-Anträge.
Landgericht Braunschweig erlässt Musterverfahrens-Beschlüsse
Berlin, 25.05.2016. In der gerichtlichen Aufarbeitung des VW-Dieselskandals haben geschädigte VW-Anleger einen ersten, wichtigen Erfolg erzielt. Das Landgericht Braunschweig hat in zehn der anhängigen Schadensersatzklagen von Kapitalanlegern gegen die Volkwagen AG Bekanntmachungsbeschlüsse nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) erlassen. Die Kläger machen als VW-Aktionäre Ansprüche wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen im Zusammenhang mit dem Abgasskandal – Manipulationen bei der Software von Dieselmotoren – geltend.
"Das ist eine gute Nachricht für viele Anleger, denn damit ist jetzt sichergestellt, dass es zu einem Musterverfahren kommen wird", sagt Rechtsanwalt Mario Poberzin von der Berliner Kanzlei Kälberer & Tittel, die zahlreiche Kläger vertritt. "Der Autokonzern hätte spätestens im Mai 2014 Aktionäre und Öffentlichkeit über die Abgasmanipulationen und die Untersuchungen der US-Umweltbehörden informieren müssen. Mit dem Unterlassen einer Pflicht-Veröffentlichung hat der Konzern gegen die Ad-hoc-Mitteilungspflicht nach § 37 b Absatz 1 Wertpapierhandelsgesetz verstoßen und sich aus unserer Sicht dadurch schadenersatzpflichtig gemacht."
Der von der Kanzlei Kälberer & Tittel gestellte Musterverfahrensantrag (Az. 5 O 2075/15) ist vom Landgericht Braunschweig als einer von zehn Anträgen veröffentlicht worden.
Die Abgasmanipulationen wurden erst im September 2015 publik, woraufhin die Kurse von VW-Stamm- und Vorzugsaktien an der Börse einbrachen und Aktionäre hohe Kursverluste erlitten. Der Gesamtschaden geht nach Schätzungen in den Milliardenbereich. "Hätte das Unternehmen pflichtgemäß im Frühjahr 2014 die Öffentlichkeit über die Manipulationen und die Ermittlungen informiert, wären vielen Anlegern hohe Verluste erspart geblieben", sagt Rechtsanwalt Poberzin. "Der Vorstand hat spätestens im Frühjahr 2014 aufgrund von Prüfungen US-amerikanischer Umweltbehörden von den Manipulationen Kenntnis erlangt. Ihm war auch bekannt, dass die US-Behörden bei Verstößen gegen Abgasvorschriften hohe Geldstrafen verhängen dürfen und dies erheblichen Einfluss auf die Werthaltigkeit der Aktien hat."
Nach Einschätzung der Kanzlei Kälberer & Tittel ist es Sache der Beklagten, nachzuweisen, dass die Unterlassung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht. Die von der Kanzlei vertretene Klägerin in dem Kapitalanleger-Musterverfahren hatte zwischen März und Juli 2015 Aktien erworben. "Hätte sie von den Manipulationen gewusst, dann hätte sie die Aktien nicht erworben", so Anwalt Poberzin.
Der nächste Schritt in den KapMuG-Verfahren folgt nun in den kommenden Monaten. Das Landgericht Braunschweig erklärte, nach Ablauf weiterer Stellungnahmefristen für das beklagte Unternehmen zu anderen Musterverfahrensanträgen werde es "(frühestens im August 2016) über den Erlass eines Vorlagebeschlusses mit sämtlichen entscheidungserheblichen Feststellungszielen entscheiden".