Donnerstag, 28. Januar 2016
Bank- und Kreditrecht

Bundestag beschließt Abschaffung des "ewigen Widerrufsrechts" für Kreditnehmer

Der für Immobilienkreditnehmer wichtige "Widerrufsjoker" wird am 21. Juni abgeschafft. Nur noch bis dahin kann man per Widerruf aus alten teuren Darlehensverträgen in neue zinsgünstigere umsteigen.

Baufinanzierung zinsgünstig umschulden, bevor der "Widerrufsjoker" ausläuft

Berlin, 28.01.2016. Nun ist es endgültig: Die Möglichkeit für private Kreditkunden, fehlerhafte Altverträge zur Baufinanzierung auch später noch widerrufen zu können, wird zum 21. Juni 2016 abgeschafft. Der Bundestag hat am Mittwoch eine entsprechende Gesetzesänderung für Immobilienkredite beschlossen, in der u. a. auch das Widerrufsrecht für Kreditnehmer neu geregelt wird. Betroffen sind nicht nur Neuverträge, sondern auch Altverträge, für die bisher der so genannte "Widerrufsjoker" eingesetzt werden konnte, da die Mehrzahl der in den Jahren 2002 bis 2010 abgeschlossenen Verträge fehlerhafte Widerrufsbelehrungen enthielt.

Einschnitt in Verbraucherrecht

"Die neue Regelung nimmt vielen Tausenden von Immobilienkreditnehmern künftig das wichtigste Instrument, um fehlerhafte Verträge rückgängig machen zu können", sagt Rechtsanwalt André Tittel von der Kanzlei Kälberer & Tittel, die Verbraucher in Kredit- und Kapitalanlagefragen vertritt. "Das ist ein erheblicher Einschnitt in ein Verbraucherrecht. Dass in solcher Weise rückwirkend in Verträge eingegriffen wird, ist letztlich der geballten Lobbyarbeit der Kreditinstitute geschuldet."

Die Bundesregierung setzt mit der Gesetzesnovelle die EU-Richtlinie zu Wohnimmobilienkrediten in nationales Recht um. "Dafür wäre ein Eingriff in Altverträge aber gar nicht notwendig gewesen", so Verbraucheranwalt Tittel.

Angesichts der wenigen Monate bis zum Erlöschen dieses Verbraucherrechts ist es jetzt umso wichtiger, Kreditnehmer über die Sachlage und über ihr jetzt noch bestehendes Recht aufzuklären. Die von bundesweit 22 Kanzleien getragene "Arbeitsgruppe Widerruf" möchte dieser aktuellen Problematik zu mehr öffentlicher Aufmerksamkeit verhelfen. "Wir positionieren uns klar auf der Seite der Verbraucher und möchten durch Öffentlichkeitsarbeit die vielen betroffenen Immobilienkreditnehmer darauf aufmerksam machen, was die Gesetzesänderung für sie bedeutet."

"Umschuldung" zu günstigeren Zinsen

Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit fehlerhaften Darlehensverträgen ist, dass Kreditnehmer mit einem Widerruf aus einem alten Vertrag vorzeitig aussteigen können, ohne die übliche Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen - und dann mit einem neuen Kreditvertrag zu heute deutlich günstigeren Zinsen viel Geld sparen können. Der Ausstieg per Widerruf (und ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung) ist bei Immobiliendarlehen wegen deren Höhe und der meist langen Laufzeit besonders interessant; es sind oft Einsparungen von mehreren Tausend Euro pro Jahr möglich.

Ein anderer Aspekt ist, dass viele Kreditnehmer, die aus ihrem Vertrag bereits ausgestiegen sind, nach der bisher geltenden Regelung die Chance haben, eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung von der Bank zurückzuverlangen. Voraussetzung ist, dass der Vertrag eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthält, was aber nach Untersuchungen von Verbraucherverbänden in etwa 70 bis 80 Prozent der zwischen November 2002 und Ende 2010 abgeschlossenen Verträge der Fall war.

Bundesweit Informationsveranstaltungen

Da vielen Kreditnehmern die Abschaffung des so genannten "Widerrufsjokers" bei älteren Darlehensverträgen immer noch nicht bewusst ist, bieten die Mitglieder der "Arbeitsgruppe Widerruf" derzeit bundesweit - von München bis Flensburg - kostenlose Informationsveranstaltungen an.

 

Große Zinsersparnis möglich - Fallbeispiel

Max Müller hat im Dezember 2008 eine Eigentumswohnung gekauft und dafür bei der Bank ein Darlehen von 280.000 Euro aufgenommen – mit einem Zins von 4,50% und zehnjähriger Zinsbindung. Heute beträgt seine Restschuld noch etwa 210.000 Euro. Er würde nun gerne die derzeit sehr niedrigen Kreditzinsen nutzen, aber sein Darlehen läuft erst Ende 2018 aus. Er lässt seinen Vertrag prüfen, und tatsächlich stellt sich heraus, dass die Widerrufsbelehrung mit der Formulierung "Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" fehlerhaft war, da das Wort "frühestens" Unklarheit erzeugt und fälschlicherweise suggeriert, die Frist könne eventuell auch später beginnen.

Die Bank sperrt sich zunächst gegen den Widerruf; nach hartnäckigen Verhandlungen akzeptiert sie diesen aber. Damit ist ein Darlehensausstieg ohne Vorfälligkeitsentschädigung möglich. Zuvor hat Herr Müller bei einer anderen Bank bereits eine Zusage für einen neuen Darlehensvertrag über 210.000 Euro eingeholt, denn er muss den Altkredit nun kurzfristig (binnen 30 Tagen) ablösen. Durch den extrem günstigen Nominalzins von 1,50% kommt er auf eine Ersparnis von mehreren Tausend Euro pro Jahr. Zudem hat er sich den Niedrigzins für zehn Jahre gesichert.

Dieser fiktive Fall zeigt, worum es beim Darlehenswiderruf geht und dass er finanziell große Vorteile bringen kann. Fehler in der Widerrufsbelehrung können wie im Beispiel in den Angaben zum Fristbeginn liegen, aber auch andere Ursachen haben.

 

Arbeitsgruppe Widerruf:

Die 22 Mitglieder der Arbeitsgruppe Widerruf sind Kanzleien aus dem ganzen Bundesgebiet mit dem Schwerpunkt Bank- und Kapitalanlagerecht.

www.jetzt-widerrufen.de   (mit Anmeldemöglichkeit zu Info-Veranstaltungen)

Pressekontakt:
Bernd Frank, Berlin
Tel. 030 / 887 178 123 -  frank(at)kaelberer-tittel.de

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