Anlegerklagen beim Immobilienfonds IVG EuroSelect 14 "The Gherkin" eingereicht
Bei der berühmten Londoner Büroimmobilie "The Gherkin" drohen Tausenden Fondsanlegern hohe Verluste. Jetzt hat die auf Kapitalanlage- und Bankrecht spezialisierte Kanzlei Kälberer & Tittel für einen Mandanten eine erste Klage wegen Falschberatung gegen die Vertriebsbank eingereicht; weitere Klagen folgen.
Londoner Büroturm wird zur "faulen Gurke" - Klagewelle erwartet
Berlin, 02.12.2013. Die berühmte Londoner Büroimmobilie "The Gherkin" ("Die Gurke") des IVG-Fonds EuroSelect 14 droht für Tausende Fondsanleger zum Fiasko zu werden. Jetzt hat die auf Kapitalanlage- und Bankrecht spezialisierte Kanzlei Kälberer & Tittel für einen Mandanten eine erste Klage gegen die Vertriebsbank – die Commerzbank als Rechtsnachfolgerin der Dresdner Bank – wegen Falschberatung eingereicht. Gefordert werden die Rückabwicklung der Fondsbeteiligung und die Freistellung des Klägers von allen Schäden und Nachteilen, die ihm aus der im September 2007 gezeichneten Beteiligung in Höhe von nominal 15.000 Britische Pfund resultieren.
Die besondere Architektur, entworfen von Stararchitekt Norman Foster, machten den 180 m hohen Büroturm "The Gherkin" zu einem Wahrzeichen Londons. Aber Kreditprobleme, später nicht erreichte Mietprognosen und zudem der Wertverlust der Immobilie gegenüber dem Kaufpreis lasten schwer auf dem Fonds IVG EuroSelect Vierzehn GmbH & Co. KG. Prognostizierte Ausschüttungen fielen aus, darüber hinaus befürchten Anleger, einen Großteil ihres eingesetzten Kapitals zu verlieren. Am deutschen Zweitmarkt für Fondsanteile notierte der EuroSelect 14 im November nur noch bei 5,5%.
Die nun erfolgte erste Klage-Einreichung der Kanzlei Kälberer & Tittel dürfte erst der Anfang sein, denn in ähnlichen Fällen bei anderen Fonds haben viele Gerichte die beratenden Banken bereits zu Schadensersatz verurteilt. "Auf die Vertriebsbanken dürfte somit auch beim EuroSelect 14 eine Klagewelle zukommen", erklärt Rechtsanwalt Dietmar Kälberer. An dem Fonds sind geschätzt rund 9.000 Anleger beteiligt.
Hohe Darlehensfinanzierung in Fremdwährung
Der geschlossene Immobilienfonds IVG EuroSelect 14 wurde im Jahr 2007 mit einem Investitionsvolumen von rd. 347 Mio. GBP platziert. Die Immobilie in zentraler Lage Londons wurde u. a. mit einer "Sicherheit durch Hauptmieter Swiss Re Services Ltd." beworben. Zur Finanzierung trug nicht nur das von Anlegern eingebrachte Eigenkapital von rd. 164 Mio. GBP (inkl. Agio) bei, sondern auch ein von einem Bankenkonsortium gewährtes Darlehen von rd. 183 Mio. GBP.
Die Problematik dieser ohnehin schon hohen Fremdfinanzierung verschärfte sich dadurch, dass das Darlehen in Schweizer Franken aufgenommen wurde. Dieser stieg aber in der Folgezeit gegenüber dem britischen Pfund, so dass die Kreditbelastung - in GBP gerechnet – zunahm. Zugleich entwickelten sich die Mieteinnahmen schlechter als erwartet und damit auch der Wert der Immobilie. "Auch wenn dies durch den Ausbruch der Finanzkrise mitverursacht wurde: Aus unserer Sicht waren die Mieterträge von vornherein – angesichts des Marktumfelds - zu optimistisch angesetzt worden", sagt Rechtsanwalt Kälberer.
Loan-to-value-Klausel verletzt – Keine Ausschüttungen seit 2008
Durch die steigende Kreditlast einerseits und den sinkenden Immobilienwert andererseits verschlechterte sich das Verhältnis von Kreditbelastung zu Objektwert (Loan-to-value). Und hier wurde es dann richtig problematisch: Denn laut einer Klausel in den Verträgen mit dem Bankenkonsortium durfte der Loan-to-value 67% nicht überschreiten. Da diese Klausel aber bereits im Jahr 2009 verletzt wurde, konnten die Banken zusätzliche Margen und Gebühren sowie eine Aussetzung der Ausschüttungen verlangen – bei fortwährender Verletzung könnten sie die Darlehen sogar kündigen.
Verhandlungen mit den Banken führten dann auch zu einer Aussetzung der geplanten Ausschüttungen an die Anleger. "Die Chancen auf Ausschüttungen sind nach meiner Einschätzung bis auf Weiteres nur sehr gering - vielmehr besteht die Gefahr, dass Anleger einen Großteil ihres eingesetzten Kapitals nicht mehr wiedersehen werden", so Anlegeranwalt Kälberer.
Mangelhafte Beratung der Vertriebsbanken
"In vielen Fällen wurden die Anleger damals von den Vertriebsbanken nicht ausreichend über die Risiken der Fondsbeteiligung – insbesondere das Währungsrisiko, die Loan-to-value-Klausel sowie starke Mietschwankungen im hart umkämpften Londoner Büroimmobilienmarkt – sowie über Rückvergütungen an die Vertriebsbanken aufgeklärt." Damit ergeben sich laut Kälberer gute Chancen für Anleger, auf rechtlichem Wege Schadensersatzansprüche gegen die Vertriebsbanken durchzusetzen. "Wichtig ist dabei aber, nicht zu lange zu warten – denn in manchen Fällen greift schon bald, nämlich Ende dieses Jahres, die Verjährung."
Weiterer Hintergrund zu "The Gherkin":
Der Büroturm war von einem Unternehmen aus dem Konzernverbund der Swiss Re in Auftrag gegeben und zwischen 2001 und 2004 gebaut worden. Das Gebäude hat aufgrund seines Designs viele (Architektur-)Preise gewonnen. Der IVG-Fonds ist nur zur Hälfte Eigentümer des Gebäudes; zur Hälfte sind auch private und institutionelle Investoren beteiligt. 2007 hatten IVG und die Investmentbank Evans Randall die Immobilie je hälftig für insgesamt 600 Mio. Pfund von Swiss Re erworben – damals der teuerste Einzelimmobilienkauf in London. Die Kanzlei Kälberer & Tittel schätzt aufgrund damaliger Medienberichte die Gestehungskosten des Bauherrn (Bau und Grundstück) aber auf lediglich 350 Mio. GBP. Hinzu kam, so Kälberer, dass Verkäufer und Hauptmieter der Immobilie damals – 2007 – dem gleichen Konzernverbund angehörten, nämlich der Swiss Re, "was aus meiner Sicht den Fondsanlegern im Prospekt verschleiert wurde". Die Swiss Re Services Ltd. ist weiterhin wichtigster Mieter mit einer Mietfläche von rund 50%; ihr Mietvertrag läuft bis 2023 mit einer Verlängerung bis 2031.
IVG Immobilien AG unter Schutzschirm
Der hoch verschuldete IVG-Konzern, zu dem der Fonds EuroSelect 14 "The Gherkin" gehört, kämpft seit 2008/2009 mit deutlichen Verlusten und hohen Wertberichtigungen auf seine Immobilien. Die gesamte Verschuldung der Unternehmensgruppe beläuft sich nach Medienberichten auf mehr als 4 Mrd. Euro. Unter anderem bereitet das Großprojekt "The Squaire" am Frankfurter Flughafen große Probleme.
Nachdem sich der Konzern nicht mit seinen Gläubigern auf ein Sanierungskonzept einigen konnte, beantragte die IVG Immobilien AG im August 2013 eine Insolvenz unter dem so genannten Schutzschirmverfahren, und das Amtsgericht Bonn hat dieses auch genehmigt. Damit ist nun eine Sanierung in Eigenregie möglich - unter Aufsicht eines "Sachwalters", nämlich dem Düsseldorfer Rechtsanwalt Horst Piepenburg.