Kommentar, erschienen am 27.01.2014 im Handelsblatt
Das Grauen am Kapitalmarkt
Die Finanzaufsicht Bafin benötigt endlich mehr Macht!
von Dietmar Kälberer
Prokon, Infinus, IVG, Wölbern, S&K. Die Liste der registrierten Pleitemeldungen, der Razzien und Betrugsermittlungen am weitgehend ungeregelten grauen Kapitalmarkt ist lang. Und noch viel länger ist die in die Zigtausende gehende Zahl der betroffenen Anleger, geschädigt um Milliardensummen. Es besteht dringend Handlungsbedarf.
Zu lange ließ die Politik die Anleger alleine, die auf falsche Renditeversprechungen hereinfielen - gleichgültig ob das aus Geldgier geschah oder weil sie ihre Altersvorsorge aufzubauen versuchten. Gerade die befürchteten finanziellen Lücken im Alter haben nicht wenige Sparer in Zeiten extrem niedriger Zinsen in teilweise dubiose Anlageformen des grauen Kapitalmarkts getrieben. Doch hier hat die Politik bzw. der Gesetzgeber es versäumt, die Kontrollen zu verstärken und die Anleger besser zu schützen.
Den jüngsten Ankündigungen aus der Regierung müssen deshalb endlich Taten folgen. Es gibt drei Hebel, die der Gesetzgeber bewegen muss. Erstens schärfere und damit wirksamere Gesetze für mehr Transparenz. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Kosten und Risiken, die mit den Finanzprodukten verbunden sind. Gleichzeitig sollten bestimmte Anlageprodukte und auch Werbepraktiken der Anbieter und Vertriebe verboten werden. Konkret: Grundsätzlich sollten alle Anlageprodukte verboten sein, die nicht von der Finanzaufsicht Bafin geprüft worden sind – und zwar inhaltlich in ihrer Substanz und nicht nur formell, wie das bisher praktiziert wurde. Es ist zu kontrollieren, welche Risiken den Renditechancen gegenüberstehen. Nennt der Anbieter die Risken hinreichend, also nicht versteckt, sondern für den Anleger gut ersichtlich?
Die Bafin sollte hier eine klare Risikoeinstufung einrichten und die einzelnen Finanzprodukte vor ihrer Genehmigung entsprechend klassifizieren. Ebenso sollte sie kennzeichnen, ob ein Produkt zur Altersvorsorge geeignet ist und entsprechend als sicher beworben werden darf.
Zweitens braucht die Aufsicht mehr Befugnisse und Durchgriffsrechte. Bis heute ist sie ein zahnloser Tiger und lässt dubiose Anbieter jahrelang gewähren.
Drittens benötigt die Bafin natürlich eine quantitativ und qualitativ deutlich bessere Personalausstattung, um die erweiterten Befugnisse auch in der täglichen Praxis umsetzen zu können. Finanziert werden könnte dies – zumindest zum Teil – über Gebühren, die für die Erlaubnisprüfung entrichtet werden müssen. Seriöse Anbieter werden diese Gebühr sicher gerne bezahlen – so können sie mit dem Stempel der Aufsicht werben und sich von unseriösen Anbietern klar distanzieren. Wer das nicht mag, muss sich fragen lassen, ob seine Anlageprodukte wirklich etwas taugen. Und für die Bankberater, denen nach vielen Fehlern in der Vergangenheit und vielen verlorenen Anlegerprozessen heute oft eine konkrete Beratung zu "gefährlich" erscheint, dürfte dies ebenfalls eine Erleichterung sein.