Urteil LG Itzehoe zur Warnpflicht
Hinweispflicht der Bank bei Wertpapieraufträgen ohne Beratung
LG Itzehoe: Discount-Broker muss Anleger warnen, wenn ein Finanzprodukt nicht in seine Risikoklasse passt
Haben die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) nur rein aufsichtsrechtlichen Charakter - oder begründen sie in bestimmten Fällen eine "Nebenpflicht" der Bank zur Risiko-Aufklärung von Kunden, die keine Beratung in Anspruch genommen haben (sog. "execution-only")? Das Landgericht Itzehoe hat in einem interessanten Urteil eine solche Nebenpflicht bejaht. Der Fall könnte noch bis zum BGH gehen und für eine höchstrichterliche Klärung sorgen.
Der in dem Verfahren von der Kanzlei Kälberer & Tittel vertretene Anleger hatte bei einem Discount-Broker ein Depot eröffnet und war dabei zu seinen Anlagekenntnissen und seiner Risikoneigung befragt und aufgrund dieser Angaben in die zweithöchste Risikoklasse "E" eingestuft worden. In den Jahren 2010 und 2011 erteilte er der Bank mehrfach Aufträge zum Kauf und Verkauf eines Terminkontrakts und verlor dabei insgesamt rund 19.000 Euro. Er verlangte daraufhin diese Summe von der Bank als Schadenersatz, da ihm eine bestimmte hochspekulative Eigenschaft dieses Finanzderivats nicht klar gewesen sei und die Bank ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass es sich um ein Produkt der höchsten Risikostufe "F" gehandelt habe.
§ 31 Abs. 5 WpHG (Wertpapierhandelsgesetz) besagt, dass Wertpapierdienstleister – also beispielsweise eine Bank – einen Kunden vor dem Ausführen eines von diesem erteilten Wertpapierauftrags entsprechend informieren bzw. warnen muss, wenn dieses vom Kunden gewünschte Finanzinstrument für ihn eigentlich "nicht angemessen" ist – d. h. nicht in seine Risikoklasse passt, weil es z. B. hochspekulative Elemente enthält. Dies gilt auch im beratungsfreien Geschäft, wenn das gewünschte Produkt derivative Elemente aufweist und der Kunde diese Risikoklasse nicht für sich angegeben hat (vgl. § 31 Abs. 7 WpHG).
Die Bank erklärte, sie habe das Produkt aufgrund der Informationen der Emittentin in die Risikoklasse "E" eingestuft. Das Produkt sei nicht in Klasse "F" einzustufen, eine unzureichende Aufklärung des Anlegers liege nicht vor. Ohnehin käme ein Schadensersatzanspruch nicht in Betracht, da es sich bei den §§ 31 ff. WpHG lediglich um aufsichtsrechtliche Bestimmungen handele.
Das LG Itzehoe urteilte zugunsten des Anlegers. Die Bank hätte sich zwar auf die Angaben der Emittentin verlassen dürfen und sei zu einer Nachprüfung nicht verpflichtet gewesen. Im vorliegenden Fall aber habe die Bank nicht einfach nur Informationen der Emittentin weitergegeben, sondern diese dazu verwendet, um das Wertpapier einzustufen. Dieses sei aber laut eines Sachverständigen-Gutachtens in Risikoklasse "F" einzuordnen. Es habe somit nicht in das Anleger- und Risikoprofil des Klägers gepasst. Die fehlerhafte Einstufung durch die Bank – und in der Folge das Unterlassen eines Warnhinweises – begründe einen Schadenersatzanspruch. Das Gericht verwies dabei auf eine Warnpflicht als Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB je nach den Umständen des Einzelfalls dann, wenn erkennbar sei, dass die Aufträge des Kunden von dessen zuvor erklärter Zielvorstellung deutlich abweichen bzw. für den Discount-Broker klar erkennbar ist, dass Tragweite und Risiko des Auftrags falsch eingeschätzt werden.
02.05.2016 von Mario Poberzin