Dienstag, 24. März 2015

Anlage von Stiftungsvermögen: Kapitalerhalt oberstes Gebot

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Commerzbank AG zur Zahlung von Schadensersatz an eine Stiftung verurteilt, weil sie dieser eine risikoreiche Fondsbeteiligung empfohlen hatte.

Berlin, 24.03.2015. Vorstände gemeinnütziger Stiftungen sind bei der Anlage des Stiftungsvermögens dem Kapitalerhalt verpflichtet. Lassen sie sich in ihren Anlageentscheidungen von einer Bank beraten, muss diese ihre Empfehlungen in dieser Hinsicht genau prüfen. Empfiehlt die Bank eine zu risikoreiche Anlage, so muss die Bank dieses Investment rückgängig machen und der Stiftung einen eventuell entstandenen Schaden voll ersetzen. Das hat jetzt das Oberlandesgericht Frankfurt in einem interessanten Urteil entschieden.

Bei dem konkreten Fall hatte die Hildegard Bredemann-Busch-du Fallois Stiftung (Krefeld) in einen geschlossenen Immobilienfonds investiert: Sie beteiligte sich mit nominal 280.000 Euro an der SILVA Grundstücks-Vermietungsgesellschaft mbH & Co. Objekt Frankfurt Sachsenhausen KG (kurz: CFB-Fonds 142). Vor dieser Entscheidung hatte sie sich von der Commerzbank beraten lassen, die diesen von ihr selbst aufgelegten Fonds empfahl. Aber der Fonds entwickelte sich deutlich schlechter als erwartet, das Verlustrisiko war offensichtlich höher als angenommen. Der Stiftungsvorstand klagte: Er sei von der Bank  hinsichtlich der Risiken des Anlagemodells fehlerhaft beraten worden und Fonds mit derartigen Risiken dürften Stiftungen überhaupt nicht angeboten werden. Nachdem die Erstinstanz (Landgericht) die Klage noch abgewiesen hatte, wurde die Bank nun vom OLG Frankfurt zu Schadensersatz verurteilt.

OLG: Kapital nicht durch zu hohe Risiken gefährden

Das Gericht stellte in seiner Urteilsbegründung fest, dass einer Stiftung eine derartige Fondsbeteiligung aus Risikogründen überhaupt nicht empfohlen werden darf. "Die Empfehlung … war nicht anlegergerecht, weil mit der rechtlichen Verpflichtung der Klägerin, ihr Stiftungskapital zu erhalten, unvereinbar", so das OLG. "Die Klägerin durfte schon aus stiftungsrechtlichen Gründen nicht das Risiko eingehen, das Stiftungskapital durch riskante Anlagegeschäfte zu mindern."

Der betreffende Fonds CFB 142 hatte sein Immobilienprojekt durch ein Darlehen in Schweizer Franken finanziert. Die hohe Kreditfinanzierung erhöhte das ohnehin vorhandene Verlustrisiko – und zusätzlich noch dadurch, dass der Kapitaldienst in einer Fremdwährung geleistet werden muss, der Fonds also einem Wechselkursrisiko unterliegt. Hinzu kommt das Risiko der Nachschusspflicht in derartigen Fällen, was aber im Urteil nicht weiter problematisiert wird.

Hohe Relevanz für die Anlagepraxis von Stiftungen

"Das ist meines Wissens erstmals bundesweit, dass ein OLG in dieser Weise ein Urteil fällt und begründet", sagt Rechtsanwalt Dietmar Kälberer, Partner der auf Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisierten Kanzlei Kälberer& Tittel in Berlin. Kälberer führte den Prozess für die Stiftung und  sieht in dem Fall eine hohe Relevanz für die allgemeine Anlagepraxis von Stiftungen. In diesem Zusammenhang stellt der Vorsitzende der Bredemann-Stiftung, Rechtsanwalt Christoph v. Berg, der gemeinsam mit Rechtsanwalt Kälberer den Prozess führte, fest: "Nun ist es an der Zeit, dass Banken zunächst prüfen müssen, was sie überhaupt Stiftungen anbieten dürfen, vor dem vorrangigen Ziel der Stiftungen, nämlich dem Kapitalerhalt."

Stiftungsvermögen: Probleme mit risikoreichen Altanlagen

Im Rahmen von internen Anlagerichtlinien und Satzungen dürfen Stiftungsvorstände meist ohnehin keine zu risikoreichen Anlagestrategien fahren oder zulassen. Das OLG Frankfurt hat mit seinem Urteil nun den Stellenwert des Kapitalerhalts noch einmal erhöht und als oberste Anlagemaxime gestärkt. "Die Stiftungen sitzen hier auf einem ganzen Berg von Altproblemen. Und bei Neuanlagen sehen sich die Vorstände vor dem Hintergrund der extrem niedrigen Zinsen oft in einer Zwickmühle", sagt Kälberer. Ein echter Anlagenotstand: Einerseits erhalten Stiftungen für sichere Anlagen nur noch mickrige Renditen, andererseits können sie bei der Suche nach rentierlicheren Alternativen schnell in Anlagen mit zu hohen Risiken geraten. Bei der Realisierung von Verlusten ist der Vorstand in der Haftung. Wurde ihm die Anlage allerdings von einer Bank empfohlen, so muss diese haften. Als Beispiel einer zulässigen Anlage führte das OLG Frankfurt eine festverzinsliche Anleihe bei einer deutschen Bank an; diese sei "grundsätzlich als sichere, den Kapitalerhalt gewährleistende Anlage anzusehen".

OLG-Urteil erweitert rechtliche Möglichkeiten

In Deutschland gibt es rund 20.800 Stiftungen - viele davon haben als Hauptzweck die Gemeinnützigkeit. Zu den größten Stiftungen zählen die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die Robert Bosch Stiftung und die Bertelsmann Stiftung. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen schätzt das Stiftungsvermögen in Deutschland auf insgesamt mehr als 100 Mrd. Euro.

"Leider fehlten bislang zivilrechtliche Urteile dazu, was bei der Anlage von Stiftungsvermögen geht und was nicht geht", erklärt Anwalt Kälberer. "Jetzt hat das OLG Frankfurt zumindest in punkto Kapitalerhalt ein klares Wort gesprochen und gleichzeitig vielen Stiftungen eine rechtliche Möglichkeit eröffnet, derartige frühere Fehlempfehlungen von Banken und dementsprechend  risikoreiche Anlagen rückabzuwickeln", so der Vorsitzende der Bredemann-Stiftung, Rechtsanwalt Christoph v. Berg.

Pressekontakt:
Dietmar Kälberer

Tel. 030 / 887178-0
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